Fastenwähe: von Kindern erklärt

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Nachdem Frau Kahl ihre Schulklasse begrüsst hat, möchte sie ihr neues Thema Frühling einleiten.
“Was fällt euch zum Frühling ein?”, fragt sie deshalb die Klasse und nimmt eine Kreide in die Hand, um Stichwörter an die Tafel zu schreiben.
“Blumen.”
“Osterhase.”
“Ostern.”
“Fastenzeit.”

“What is Fastenzeit?”, fragt John, der Austauschschüler aus Chicago, “time to fasten?”
Ein paar Mitschüler/innen grinsen.
“Du hast recht”, antwortet Frau Kahl freundlich, “fasten bedeutete im Althochdeutschen das Gleiche wie das heutige englische Verb to fasten: festmachen oder festhalten. Mit Fastenzeit meinte man also die Zeit vor Ostern, in der man an den Enthaltsamkeitsregeln festhielt. Dazu gehörte der Verzicht auf Genuss bringende Nahrungsmittel.

Darum wurde die Fastenwähe erfunden!”, meldet sich Klaus unaufgefordert zu Wort, “um die Menschen vor dem Essen abzuschrecken! Ein Abschreckungsmittel, sozusagen.”
“Ich glaube nicht, dass…”, erwidert Frau Kahl, wird aber von Karla unterbrochen:
“Fastenwähen sind lecker!”
Die meisten Kinder stimmen Karla zu.

“Dann wurde die Fastenwähe zum Abnehmen erfunden”, meint Paul und schaut Frau Kahl erwartungsvoll an.
“Nun… nicht wirklich”, zögert Frau Kahl, “die Fastenwähe besteht aus Weissmehl, Butter, Milch, Hefe…”
“Zopf wird so gemacht”, weiss Monika.

“Warum nennt man die Fastenwähe dann nicht Zopfwähe?” will Karla wissen.
“Weil es ekelhafte Kümmel darauf hat.” Klaus wieder.
“Dann könnte man es Zopfwähe mit Kümmel nennen”, antwortet Karla spitz.
“Zopf ist keine Wähe.”
“Die Fastenwähe ist auch keine Wähe.”
“Auch kein Zopf.”

“Zopf muss man meiden wenn man abnehmen will”, mischt sich Jonas ein ,”das hat mir meine Mutter gesagt.”
“Deshalb”, überlegt Karla laut, “hat man grosse Löcher in die Fastenwähe gemacht. Die Leute meinen, sie essen viel, dabei schlucken sie viele Löcher.

“Sorry. What is Wähe?”, wagt John aus Chicago endlich zu fragen.
“Ein sehr dünner Kuchenteig mit vielen Früchten”, erklärt ihm Paul.
“Ah, good to fast”, sagt Joe und strahlt dabei. “Are there Früchte in Fastenwähe?”
“Kümmel”, sagt Klaus.
“Ist keine Frucht”, entgegnet Karla.
“Aber Teil einer Frucht.”
“Frau Kahl, würde Kümmel als Fruchtwähe durchgehen?”

Während Frau Kahl seufzend die Kreide hinlegt, ruft Paul:
“Ich weiss es. Mit Fastenwähe meint man fast eine Wähe, weil der Fladen flach ist und die Früchte durch Löcher ersetzt wurden.”

Frau Kahl schaut auf die Uhr. Noch 30 Minuten bis zur Pause. Sie würde auf dem Internet nachschauen…

(Wer mehr wissen möchte: Fastenwähe, Rezept für Fastenwähe)

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55 Kommentare zu „Fastenwähe: von Kindern erklärt

  1. Die lieben Kleinen! Wenn sie erst einmal anfangen zu fragen und vor allem zu hinterfragen, kann Frau Lehrerin ganz schön ins Schwimmen kommen… 🙂 .
    Toll geschrieben und ich sitze hier mit einem 🙂 im Gesicht.

    Herzlichst
    Anna-Lena

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  2. Liebe Priska,
    eine tolle Idee, die Kinder erklären zu lassen, was die Fastenwähe ist *g*
    Ich esse sie total gerne, wenn ich auch den meisten Kümmel runterkratze 🙂 .
    Die Mehrsuppe mag ich dagegen gar nicht, in keiner Variation. Was ich an Fasnacht am liebsten mag, wenn ich dann mal in Basel bin, sind die Fasnachtskiechli, aber ich muß schon einige davon essen, bevor der größte Hunger gestillt ist *lach* und anschließend bin ich wie mit Puderzucker bestäubt.

    Liebe und herzliche Grüße von Bruni an Dich

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    1. Liebe Bruni
      Ich habe an Dich gedacht, als ich die Geschichte gepostet habe😊
      Es geht mir wie Du. Auch ich kratze den Kümmel weg…
      A propos Mehlsuppe. Als Kind mochte ich die Mehlsuppe überhaupt nicht, doch jetzt schon… und meine ganze Familie isst sie gerne….was mich selber erstaunt.
      Aber die Fasnachtskiechli sind unser unschlagbarer Favorit… und ja der Puderzucker stäubt herum und die Kiechli zerbröseln und man wird nicht satt, aber das alles kann dem Fasnachtkiechkli nichts anhaben….
      Ganz herzliche Grüße. Priska

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      1. *lach*, das stimmt. diese hauchdünnen Dinger sind etwas Besonderes, aber stell Dir vor, hier konnte ich sie jetzt auch kaufen. Meine Edeka hatte sie in größeren Packungen und natürlich mußte ich sie kaufen.Aber soooo gut geschmeckt wie in Basel haben sie nicht leider nicht…
        Hast Du ein gutes Rezept für die Mehlsuppe? Dann würde ich es mal probieren, sie selbst zu kochen 🙂

        Ganz herzliche Grüße an Dich von mir

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    1. Liebe Beate
      Nein, ich war nicht die Lehrerin, aber es wäre mir genauso gegangen. 😊
      Wir brauchen viele Wörter, von denen wir die Etymologie und/ oder das Warum eines Wortgebrauchs nicht verstehen. Kinder nehmen solche Ungereimtheiten auf…
      Danke für Deinen lieben Kommentar.
      Priska

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    1. Liebe Martina
      Ja, Du hast schon einmal einen lieben Kommentar hinterlassen und ich habe Dir zurückgeschrieben….aber nun finde ich beide nicht mehr….ein Rätsel…
      Jedenfalls, ganz herzlichen Dank für Deinen nochmaligen Kommentar.
      Sei von Herzen gegrüsst. Priska

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  3. Ein schöner Beitrag, weil er Lächeln zaubern kann und darüber hinaus Erklärungen gibt, die sehr interessant waren für mich. Ich habe ihn mit Freude gelesen.
    Liebe Grüße von der Gudrun.

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