dinner for six

melody-
Yo, I’ll tell you what I want, what I really really want…”, singt Anna, als sie sich zu uns an den Tisch setzt. Dabei bewegt sie ihre Hand im Takt. Eine Weile hören wir ihr zu.
“Okay”, sage ich schliesslich, “bitte Musik abstellen.”
Anna verstummt, doch im nächsten Augenblick hören wir erneut: “Yo, I’ll tell you what I want, what I really really want…”
Ich: “Off, please!”
“Sorry”, sagt Anna, als ihr bewusst wird, dass sie wieder zu singen angefangen hat.

Wenn ich Anna suche….Ich muss den Satz nochmals anfangen, denn seit ein paar Monaten suche ich Anna nicht mehr, weil ich–ungewollt–ein GPS bekommen habe, das mich mit 100 prozentiger Treffsicherheit und mit “schnellstem Weg” Garantie zu ihr führt. Ob in der Waschküche, im Keller, im Garten, im Badezimmer, in der Küche oder in ihrem Zimmer: Wo Musik läuft, finde ich Anna. Irgendwie praktisch, aber irgendwie…

“Seufz”

“Was habt ihr heute in der Schule gemacht?”, fragt Mike, als Ruhe eingekehrt ist.
“Heute in der Mathestunde ist etwas….”, fängt Tobias an, als leise das Hintergrundlied ertönt: “Yo, I’ll tell you what I want, what I really really want…”
“Nicht schon wieder”, stöhne ich.
Anna: “Sorry, mache ich nicht extra. Ist einfach ein cooles Lied.”
Tobias: “Was ist cool?”
Anna: “Dieses Lied.”
Anna macht den Mund auf….
“Off!“, rufen Mike und ich im Duo.

Tobias fängt nochmals an: “Also heute in der Mathestunde hat Max…”
Mia: “Was heisst Mathe?”
Tobias: “Rechnen….Max ist also aufgestanden, und als Frau Studer ….”
Mia: “Also wie zwei und zwei?”
Tobias: “Ja, wie zwei und zwei… Frau Studer hat nicht gemerkt, dass…”
Mia: “Frag mich eine Rechnung.”
Tobias: “Was gibt drei plus drei?….Max nicht mehr am Platz…”
Mia: “Drei plus drei?”

“Lass Tobias zu Ende erzählen”, sagt Mike und schaut Tobias aufmunternd an.
Tobias: “Nicht so wichtig.”
Mike: “Doch”
Tobias: “Es ist eigentlich schon fertig. Max musste dann nachsitzen, weil Frau Studer ihn…”
Mia: “Sechs!”
Tobias: “Ja genau…doch noch erwischt…”
“Kannst du mich morgen früher wecken oder muss ich selber den Wecker stellen” fragt Lea, die bis jetzt geschwiegen hat, aus dem nichts heraus.
Ich: “Hast Du zugehört, was Tobias erzählt hat?”

Obwohl Lea in ihren eigenen Gedanken versunken gewesen war, hat sie die Worte von Tobias gespeichert und kann sie wortwörtlich wiedergeben.
Ich: “Und? Was meinst du dazu?”
Lea: “Toll, aber sag jetzt….”
Ich: “Toll?”
Lea: “Okay, nicht toll. Tobias, wie hast du dich gefühlt?”

Tobias schaut leicht verwirrt, da hören wir Anna summen:
“Yo, I’ll tell you what I want, what I really really want…”
Fünf Augenpaare schauen Anna an.
Anna:  “Ups.”
Tobias: “Es war mir egal.”
Mia: “Frag mich nochmals eine Rechnung.”
Lea :“Wäre 6:30 Uhr wecken okay?”
Tobias: “Was gibt sieben plus zwei?”

Ich: “seufz”

Anna: “Kennt ihr Ed Sheeran?”
Mia: “Wer ist edschin?
Anna: “Ein cooler Sänger.”
Und schon schon hören wir Anna “Shape of You” singen.
Wir stimmen mit ein, laut und schräg, aber wenigstens gemeinsam….bis Anna lachend ruft:
“Ihr singt falsch, off….off….off please!”

54 Kommentare zu „dinner for six

  1. Herrlich, ich hab die Familiengeschichte soooo genossen! Früher ging es bei uns auch so zu, fröhlich und bunt durcheinander, meist war aber ich es, die vom Sohnemann gerügt wurde wegen (falschen!) singen, hihihi, früher hab ich auch manches Mal geseufzt und gedacht „Ruhe wäre schön“, heute ist das Kind aus dem Haus und es ist ruhig, auch nicht recht, lach! Aber ich bin noch heute so glücklich darüber, daß ich diese Zeit in vollen Zügen genossen habe!
    Danke für den lustigen Eintrag, liebe Grüße
    Monika.

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    1. Liebe Monika
      Danke für deine aufmunternden, lustigen Worte. Ja, ich bin sicher, auch ich werde mich mit warmen Gefühlen an diese tumulten Zeiten zurückerinnern. 😊
      Liebe Grüße an Dich und Mimi!
      Priska

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  2. Ich habe mich königlich amüsiert! Es kommt mir sehr bekannt vor.
    Im Leben hat alles seine Zeit. Unser Haus wird morgen, nachdem unsere Mädels eine Weile wieder zu Hause waren, wieder still und leer. Mein Mutterherz muss sich erst wieder daran gewöhnen und darf ein wenig traurig sein.
    Herzliche Grüße von Beate

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    1. Liebe Barbara
      Ich habe deine Antworten mit Genuss gelesen. Und ich danke Dir herzlich für die Nominierung 😘
      Da ich wieder zu arbeiten angefangen habe, bleibt mir nur wenig Zeit übrig… und darum mache ich beim Award lieber nicht mit. Aber mitlesen und genießen auf jeden Fall!
      Herzlich. Priska

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  3. Herrlicher Querschnitt durch ein turbulentes Familienleben, bei dem jeder zu Wort, keine richtig böse wird, jeder den anderen akzeptiert und für voll nimmt, samt seinen Sorgen, Nöten, Problemen und vor allem Fragen.
    Und bei der richtigen Musik finden sich dann alle wieder beisammen und zusammen. ♥
    Lieben Gruß
    moni

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  4. Herrliche Geschichte die du wunderbar beschrieben hast 🙂 Ich staune, daß keiner den Faden verloren hat ! Ich hätte da in kürzester Zeit nicht mehr durchgeblickt, hihi. Es klingt sehr lebendig. Schön 🙂

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  5. Liebe Priska,
    ich Trödelliese komme soooo spät an und dabei lese ich soooo gerne, was Du schreibst.
    Ein Tisch voller Menschen, jeder spricht und einer singt 🙂
    Kunterbunt gehts oftmals zu, wenn die Kinderchen noch nicht *erwachsen* sind und zuhause wohnen.
    Meine sind ja schon einige Jährchen aus dem Haus, aber sind sie alle da, mit Anhang, dann gehts auch munter durcheinander.
    Am Abend entwirre ich dann all die Fäden in meinem Kopf *lach*, die sich am Ende doch noch verwurschtelt hatten.

    Toll, Dein Beitrag, den ich viel zu spät lese

    Liebe und sehr herzliche Grüße von Bruni an Dich

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    1. Liebe Bruni
      Am Ende schöne Momente, gell, obwohl auch ich manchmal die Fäden verliere… 🙂Kann ich mir lebhaft vorstellen, dass „erwachsene Kinder“ mit oder ohne Anhang genauso Turbulenzen ins Tischgespräch bringen.
      Musst Dich nicht entschuldigen. Veröffentliche ja nur sporadisch….
      Ganz liebe Grüße an Dich, liebe Bruni ☘️
      Herzlich. Priska

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  6. Ja, auch bei den Großen ist es so, jeder spricht und erzählt, Meinungen klingen durcheinander und am Ende heißt es – sortieren 🙂 Wären alle still und würden keinen Mucks machen,
    wäre da vermutlich jede Menge unausgesprochener Frust und das wollen wir ganz bestimmt nicht.

    Liebe Grüße an Dich von mir

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  7. Ja, wie sagt man doch so schön: „Mit Musik geht alles besser.“
    Smile*….
    Obwohl ich eigentlich dachte, die „Spice Girls“ wären mittlerweile nicht mehr so angesagt und auch nicht mehr so cool, scheinen sie doch noch immer richtig gute Laune zu verbreiten.
    “Yo, I’ll tell you what I want, what I really really want…” – dieser Hit aus den 90ern knipste in meinem Kopfkino gleich einen imaginären Tanzfilm an 🙂
    Ich wünsche dir einen schönen 3. Advent!
    Liebe Grüße aus dem Bergischen Land..
    von Rosie

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