Der Apfel

apfel


Der Apfel,
der arme Tropf,
auf Wilhelm
Tells Sohns Kopf
durchbohrt
mit einem Pfeil–
nicht das erste Unheil,
das dem Apfel beschieden,
obwohl…

vor dem Sündenfall benieden,
wie die Bibel erzählt,
als Allwissend ausgewählt,
hing er glücklich
im Paradiese,
bis die Schlange, die fiese
alles vermasselt,
Eva so lang bequasselt,
bis sie Gottes Verbot vergisst,
den omnipotenten Apfel isst.

Als der Apfel
–via Verdauung–
auf die Erde kommt,
wird ihm doch prompt
das Überirdische verwehrt…
seitdem als gewöhnliche
Frucht verzehrt.

Schlimmeres Schicksal
sein Bruder ereilt,
der anfangs glücklich
im Olymp verweilt.
Im goldenen Mantel verehrt,
auf höchster Stufe begehrt,
wird entschieden,
die schönste Göttin
soll ihn bekommen,
die Idee (damals wie heute) unbesonnen,
denn jeder weiss, wie fatal–
drei Frauen in der engeren Wahl!
Bald diese sich streiten,
Zickenkriege
sich ausweiten…
und dann…
als Aphrodite
den Apfel gewinnt,
der Trojanische Krieg
seinen Anfang nimmt.

Weil der Apfel
–obwohl ungewollt–
Disharmonie streute,
ist er als Zankapfel
berüchtigt bis heute.

Ein anderer Apfel
wird gesandt
–für Forschungszweck–
ins Märchenland.
Eine Königin
dort herrscht,
die sich keinen Deut
um Regeln schert.
Um die Schönste zu bleiben
im ganzen Land,
sie Gimmicks erfindet,
damit Schneewittchen
für immer verschwindet–
Zuletzt zur Mordwaffe
den Apfel verwandelt,
indem sie ihn
mit Gift behandelt.

Schneewittchen –wider
besseres Wissen–
beisst zu…
schluckt ein Stück
und nur dank Glück
bleibt der Apfel
im Halse stecken–
was
Prince Charming erlaubt,
sie wieder zu wecken,
indem
die Diener stolpern
und durch das Holpern
das Apfelstück sich löst…
Der Apfel, entblösst,
kommt in Not,
denn dem Rot
in seiner Haut
wird von nun an
gänzlich misstraut.

Im mittelalterlichen Gezänk
haben die Nachkommen auf Erden
auch so ihre Beschwerden:
Sie werden beschuldigt,
die Süsse nicht gehuldigt,
unreif gepflückt,
den Kriegsverletzten zum
Operieren
Amputieren
Kooperieren
zwischen die Zähne gesteckt.
Seitdem soll “Unangenehmes
tun müssen” heissen:
“In den sauren Apfel beissen.”

Aber
ein Apfel hat Karriere gemacht,
es bis zum Big Apple geschafft,
mit seinem Ruhm–obwohl famos–
wird auch der Druck erdrückend gross.

Sein Neffe als Logo abgebissen,
die Computerwelt an sich gerissen,
ziert Wände, Laptops, Handy Gehäuse–
schleichend liebgewonnene Seuche!
Rund um die Uhr….
Stress pur.

Ein Sonderfall ist
jener Apfel,
ängstlich behütet
und beschworen,
nachdem zum Aug-
apfel auserkoren.

Kein Wunder wird’s
den Äpfeln zu viel,
ihr Multitasking
kein Kinderspiel,
und so…entkräftet
sie hängen und dann
fallen sie
nicht weit vom Stamm.

 

by Priska Pittet

106 Kommentare zu „Der Apfel

      1. Ps:
        Möchte mich bei dir sehr herzlich über diesen Buchtipp bedanken:
        Script Avenue von Claude Cueni.
        Selten so ein beeindruckendes, aufwühlendes Buch gelesen…
        Liebe Wintergrüße vom Lu

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  1. Danke für diesen Streifzug durch die Apfelgeschichte.
    Und trotzdem alle dem,
    wie sagt man so schön:
    An apple the day keeps the doctor away.
    Hoffen wir zumindest..
    Herzlichst
    Ellen

    Gefällt 5 Personen

  2. Liebe Priska, das ist eine feine Zusammenfassung, ich schmunzel. Dabei ist doch der Apfel auch voller Mineralien und Vitamine und kann uns Menschen nur Gutes tun, aaaber bei all den Überzüchtungen muss man schon schauen, welcher Apfel heute noch hält, was er verspricht? Ich halte mich an die alten Sorten und klar nur von Bioland- oder Demeterbauern, da ist noch bio drin, wenns draufsteht…
    Ich wünsche dir einen zauberhaften Herbsttag,
    herzlichst
    Ulli

    Gefällt 3 Personen

  3. Liebe Priska,
    diesmal war ich drei Tage nicht am Laptop, deshalb mein Kommi so spät wie immer, obwohl ich mich doch bessern wollte *g*

    Ein feinstes Apfelgedicht zum Schmunzeln und Lächeln, bei dem mir ganz und gar nicht der Appetit auf den Apfel vergeht, sondern ich schnell mal nachschauen mußte, ob ich auch mal über einen Apfel geschrieben habe und siehe da, ich fand tatsächlich eins 🙂
    http://wortbehagen.de/index.php/gedichte/2016/januar/zurueckgeblieben

    Deine Worte haben mir sehr gefallen. Es steckt in den Details so viel Witz, daß ich ganz entzückt darüber bin, liebe Priska

    Liebe Abendgrüße von Bruni an Dich

    Gefällt 3 Personen

      1. Das ist schön, daß sie Dich nicht immer wehmütig machen *lächel*
        Liebe Grüße zurück zu Dir

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  4. Nur einen vermiss ich, der früher ganz leise
    Diente den vielen Spatzen als Speise,
    Der Pferdeapfel, der dampfende Wicht,
    Den hast Du vergessen in Deinem Gedicht.🐎🤗🤗🤗

    So müsste man Kindern die Weltgeschichte erklären, aber auch zur Erheiterung der erwachsenen Kinder hast Du einen Volltreffer gelandet. Schmunzelgruss vom Dach, Karin

    Gefällt 3 Personen

  5. Wie schön!
    Dein tolles, kurzweiliges Gedicht über den Apfel zeigt mir, dass er immer wieder wichtige Rollen übernommen hat – in Märchen, in Sprichwörtern oder in Redewendungen.
    Ich schaue jetzt gerade auf den Apfelbaum im Garten und freue mich noch nachträglich darüber, dass er uns auch in diesem Jahr wieder so leckere, rote Äpfel geschenkt hat.
    Sonnige Novembergrüße
    aus dem Bergischen Land

    Gefällt 1 Person

  6. Wow! Das ist ein Meisterwerk, Priska! Es hat unglaublich viele Facetten in der „Verserei“ – gefällt mir richtig gut. Nein: Ich bin begeistert.

    Herzliche Grüße
    Sylvia

    Gefällt 2 Personen

      1. Oh, liebe Priska – Deinen Kommentar hat mein Smartphone wohl verschlungen. Jetzt sehe ich ihn und danke Dir sehr für Deine lieben Wünsche.

        Alles Liebe auch Dir im neuen Jahr, Gesundheit und Liebe.

        Herzlichst,

        Sylvia

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  7. Liebe Priska, ich hoffe, du nimmst meine Besuche nicht übel, ich finde nur diese Möglichkeit, kann also nichts Neues kommentieren, es wird schon wieder wärmer, glaube ich, was für ein Winter, Klaus

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