Tauwetter

Schneesturm

 

 

 

 

Eingetaucht
in dunkler Nacht
durch Schneegestöber
sausend fahren
du und ich . . .
Nebellichter
die Wege weisen
tanzende Flocken
energisch treiben
in wildem Tango.

Stoisch verankert
kahle Bäume
sippen
wippen
Schneevorhänge
kraftvoll
knicken
müden
Rädern
eifrig nicken

Frost zerkratzt
metallne Türen
tätowiert Kristalle
kalt
an unsre
Scheiben
eisern
drohend
Unruhe tobt . . .
da draussen

Im Innern . . .
eingefrorene
Gedankenfalten
langsam
stetig
wundersam
der heissen Lüftung
weichen
warm sie schmelzen
in den Augenblick

Aufgelöst losgelassen
abgelegt . . . sanft
ein Lächeln entsteht
im Hier und Jetzt
in diesem Augenblick
den Moment einatmen
tief ins Herz
im Kopf still stehen
Bilder sammeln
für die Ewigkeit

Ich lausche den Worten
die leicht und munter
auf deinen Lippen
tanzen
höre Müdigkeit
dich streicheln
sehe in deinem
schlafenden Gesicht
die Welt dich
liebevoll umarmen

Und ich verstehe:
Nichts steht
zwischen uns
kein Druck
kein rauher Wind
nur Nähe
Beziehung
herzlich warm
wohlgesinnt
Mutter und Kind.

 

Der Apfel

apfel


Der Apfel,
der arme Tropf,
auf Wilhelm
Tells Sohns Kopf
durchbohrt
mit einem Pfeil–
nicht das erste Unheil,
das dem Apfel beschieden,
obwohl…

vor dem Sündenfall benieden,
wie die Bibel erzählt,
als Allwissend ausgewählt,
hing er glücklich
im Paradiese,
bis die Schlange, die fiese
alles vermasselt,
Eva so lang bequasselt,
bis sie Gottes Verbot vergisst,
den omnipotenten Apfel isst.

Als der Apfel
–via Verdauung–
auf die Erde kommt,
wird ihm doch prompt
das Überirdische verwehrt…
seitdem als gewöhnliche
Frucht verzehrt.

Schlimmeres Schicksal
sein Bruder ereilt,
der anfangs glücklich
im Olymp verweilt.
Im goldenen Mantel verehrt,
auf höchster Stufe begehrt,
wird entschieden,
die schönste Göttin
soll ihn bekommen,
die Idee (damals wie heute) unbesonnen,
denn jeder weiss, wie fatal–
drei Frauen in der engeren Wahl!
Bald diese sich streiten,
Zickenkriege
sich ausweiten…
und dann…
als Aphrodite
den Apfel gewinnt,
der Trojanische Krieg
seinen Anfang nimmt.

Weil der Apfel
–obwohl ungewollt–
Disharmonie streute,
ist er als Zankapfel
berüchtigt bis heute.

Ein anderer Apfel
wird gesandt
–für Forschungszweck–
ins Märchenland.
Eine Königin
dort herrscht,
die sich keinen Deut
um Regeln schert.
Um die Schönste zu bleiben
im ganzen Land,
sie Gimmicks erfindet,
damit Schneewittchen
für immer verschwindet–
Zuletzt zur Mordwaffe
den Apfel verwandelt,
indem sie ihn
mit Gift behandelt.

Schneewittchen –wider
besseres Wissen–
beisst zu…
schluckt ein Stück
und nur dank Glück
bleibt der Apfel
im Halse stecken–
was
Prince Charming erlaubt,
sie wieder zu wecken,
indem
die Diener stolpern
und durch das Holpern
das Apfelstück sich löst…
Der Apfel, entblösst,
kommt in Not,
denn dem Rot
in seiner Haut
wird von nun an
gänzlich misstraut.

Im mittelalterlichen Gezänk
haben die Nachkommen auf Erden
auch so ihre Beschwerden:
Sie werden beschuldigt,
die Süsse nicht gehuldigt,
unreif gepflückt,
den Kriegsverletzten zum
Operieren
Amputieren
Kooperieren
zwischen die Zähne gesteckt.
Seitdem soll “Unangenehmes
tun müssen” heissen:
“In den sauren Apfel beissen.”

Aber
ein Apfel hat Karriere gemacht,
es bis zum Big Apple geschafft,
mit seinem Ruhm–obwohl famos–
wird auch der Druck erdrückend gross.

Sein Neffe als Logo abgebissen,
die Computerwelt an sich gerissen,
ziert Wände, Laptops, Handy Gehäuse–
schleichend liebgewonnene Seuche!
Rund um die Uhr….
Stress pur.

Ein Sonderfall ist
jener Apfel,
ängstlich behütet
und beschworen,
nachdem zum Aug-
apfel auserkoren.

Kein Wunder wird’s
den Äpfeln zu viel,
ihr Multitasking
kein Kinderspiel,
und so…entkräftet
sie hängen und dann
fallen sie
nicht weit vom Stamm.

 

by Priska Pittet

dinner for six

melody-
Yo, I’ll tell you what I want, what I really really want…”, singt Anna, als sie sich zu uns an den Tisch setzt. Dabei bewegt sie ihre Hand im Takt. Eine Weile hören wir ihr zu.
“Okay”, sage ich schliesslich, “bitte Musik abstellen.”
Anna verstummt, doch im nächsten Augenblick hören wir erneut: “Yo, I’ll tell you what I want, what I really really want…”
Ich: “Off, please!”
“Sorry”, sagt Anna, als ihr bewusst wird, dass sie wieder zu singen angefangen hat.

Wenn ich Anna suche….Ich muss den Satz nochmals anfangen, denn seit ein paar Monaten suche ich Anna nicht mehr, weil ich–ungewollt–ein GPS bekommen habe, das mich mit 100 prozentiger Treffsicherheit und mit “schnellstem Weg” Garantie zu ihr führt. Ob in der Waschküche, im Keller, im Garten, im Badezimmer, in der Küche oder in ihrem Zimmer: Wo Musik läuft, finde ich Anna. Irgendwie praktisch, aber irgendwie…

“Seufz”

“Was habt ihr heute in der Schule gemacht?”, fragt Mike, als Ruhe eingekehrt ist.
“Heute in der Mathestunde ist etwas….”, fängt Tobias an, als leise das Hintergrundlied ertönt: “Yo, I’ll tell you what I want, what I really really want…”
“Nicht schon wieder”, stöhne ich.
Anna: “Sorry, mache ich nicht extra. Ist einfach ein cooles Lied.”
Tobias: “Was ist cool?”
Anna: “Dieses Lied.”
Anna macht den Mund auf….
“Off!“, rufen Mike und ich im Duo.

Tobias fängt nochmals an: “Also heute in der Mathestunde hat Max…”
Mia: “Was heisst Mathe?”
Tobias: “Rechnen….Max ist also aufgestanden, und als Frau Studer ….”
Mia: “Also wie zwei und zwei?”
Tobias: “Ja, wie zwei und zwei… Frau Studer hat nicht gemerkt, dass…”
Mia: “Frag mich eine Rechnung.”
Tobias: “Was gibt drei plus drei?….Max nicht mehr am Platz…”
Mia: “Drei plus drei?”

“Lass Tobias zu Ende erzählen”, sagt Mike und schaut Tobias aufmunternd an.
Tobias: “Nicht so wichtig.”
Mike: “Doch”
Tobias: “Es ist eigentlich schon fertig. Max musste dann nachsitzen, weil Frau Studer ihn…”
Mia: “Sechs!”
Tobias: “Ja genau…doch noch erwischt…”
“Kannst du mich morgen früher wecken oder muss ich selber den Wecker stellen” fragt Lea, die bis jetzt geschwiegen hat, aus dem nichts heraus.
Ich: “Hast Du zugehört, was Tobias erzählt hat?”

Obwohl Lea in ihren eigenen Gedanken versunken gewesen war, hat sie die Worte von Tobias gespeichert und kann sie wortwörtlich wiedergeben.
Ich: “Und? Was meinst du dazu?”
Lea: “Toll, aber sag jetzt….”
Ich: “Toll?”
Lea: “Okay, nicht toll. Tobias, wie hast du dich gefühlt?”

Tobias schaut leicht verwirrt, da hören wir Anna summen:
“Yo, I’ll tell you what I want, what I really really want…”
Fünf Augenpaare schauen Anna an.
Anna:  “Ups.”
Tobias: “Es war mir egal.”
Mia: “Frag mich nochmals eine Rechnung.”
Lea :“Wäre 6:30 Uhr wecken okay?”
Tobias: “Was gibt sieben plus zwei?”

Ich: “seufz”

Anna: “Kennt ihr Ed Sheeran?”
Mia: “Wer ist edschin?
Anna: “Ein cooler Sänger.”
Und schon schon hören wir Anna “Shape of You” singen.
Wir stimmen mit ein, laut und schräg, aber wenigstens gemeinsam….bis Anna lachend ruft:
“Ihr singt falsch, off….off….off please!”

Im Deutschkurs

terror frieden (1)

Im Deutschkurs
in Dreiergruppe
sitzen sie…
sie?
die Männer und Frauen
aus Syrien, Ägypten
Iran, Litauen
etc.

etc.?
für uns so leicht geschrieben,
das Kürzel vermischt
als “Flüchtlingsproblem”
aufgetischt, verschwindet
ein Schicksal im Räderwerk
der Floskel “hart,
aber…”

aber?
bemerke ich
den Mann der mit
zwei Frauen spricht?
Gemeinsamkeiten
sucht?, so das Ziel,
es gibt nicht viel,
doch er…

er?
Samir aus Iran
präsentiert, was die
Gruppe gefunden:
“Wir drei sein gegen
Krieg”,
die Klasse schwieg.
Und ich…

naiv!
“alle sind gegen Krieg.”
“Nicht alle, NEIN”,
seine Stimme versagt,
die Wahrheit trifft
wie ein Schlag,
sein Schmerz so echt,
“Verzeihen Sie…,

Sie haben recht.“

An meine Tochter

rose

lachende
Schritte
wunderschön
im violett
Kleid
für den
Abschlussball
bereit

ein Strahlen
huscht über
dein Gesicht
als für einen
kurzen Moment
du meinen
Blick
erkennst

Bewunderung
in meinen
Augen siehst
mich flüchtig
in die Arme
schliesst und
“danke” formst
mit deinen Lippen

“du bist…wunderschön…”
mehr konnte ich
nicht sagen
denn schon
dein Kinn
sich dreht
zur besten
Freundin hin

aufgeregt
die Hormone
auf deiner Haut
tanzen
als du in die
Zukunft lachst
… wo das Mädchen?…
fast über Nacht

die Metamorphose
und nun vor mir
mein Kind
die junge Frau
blühend
mit lockigem
braunen Haar
und ich schau

dir nach
wie du freudig
beflügelt
hoffnungsvoll
ins Leben springst
mein Herz stolz singt
und doch…Wehmut mitklingt

 

Sommerpause steht an:

ferien

Habt eine schöne Zeit. Macht’s gut!!!

Alzheimer

Alzheimer

Gespräch zwischen Kind und Mutter:


ich weiss nicht,
wie…,
ob sie versteht

nicht konkret

welche Worte?
wie erklären?
ohne zu erschweren…

die Familiären

was sie wohl dachte
als ich…
die Autos brachte…?

Freude erwachte

nach jeder Runde
zeigte ich erneut das Spiel,
es blieb nicht viel…

was blieb,
das warme Gefühl

wie weiss ich…
sie hat zwar mitgemacht,
aber….?

sie hat gelacht

für mich
nicht ersichtlich…
mach ich’s richtig?

du versucht’s,
das ist wichtig

schau…
mir
geht es
wie dir…

ich weiss erst
ob’s ihr gefällt
wenn sich ihr
Gesicht erhellt…

es gelingt
nicht immer
aber nichts tun
ist schlimmer…

sie spürt
deine Wärme
da bin ich sicher
wie eine Laterne

die- obwohl sie die Nacht
nicht erhellen kann-
wie eine Hand in Freundschaft
mit ihr geht den Weg entlang…

du meinst, so muss
sie nicht allein
im Dunkeln sein…

wir geniessen sie obendrein

kein vorher
kein nachher
das ist schwer…

der Moment zählt umso mehr

sie trug
mich im Arm,
hat viel
getan

mich
gehalten
geliebt
begleitet

die Liebe nicht entgleitet

ja, nur anders…
ich verstehe…
den Weg mit ihr
sehr gerne gehe

ich spüre
ganz klar
ihre Liebe
ist noch da

 

(K)ein Gartenprojekt

gartenblumen
Mein Mann hat jeweils mehrere Projekte laufen. Nicht dass Mike diese Projekte speziell sucht, nur dass er zufällig über dieses und jenes stolpert und sofort potentielle Gestaltungsmöglichkeiten sieht.

So sah er kürzlich eine Schleifmaschine im Bau und Hobby, als er dorthin fuhr, um Blumen für den Garten zu holen, und er kam auf die Idee, selber die Fensterläden zu schleifen und zu malen.
Liebevoll fuhr er die Maschine nach Hause, zusammen mit einer neuen Schubkarre, einer Tonne frischer Erde und einem Meer Blumen.

“Schatz”, sagte ich vorsichtig, als ich die Blumenlawine in den Garten rollen sah, “unser Garten hat begrenzte Möglichkeiten….”
“Lass mich nur machen”, erwiderte Mike gut gelaunt und stieg wieder in unseren Familienvan, um die restlichen Blumentöpfe, die im Laden geduldig auf seine Rückkehr warteten, zu holen.

In der Zwischenzeit stand ich den Blumen misstrauisch gegenüber und seufzte. Wo, um Himmels Willen, wollte Mike Platz für all diese Schönheiten finden? Hatten verschiedene Nachbarn ihn gebeten, ebenfalls Blumen für ihre Gärten einzukaufen? Diese Hoffnung erschien unwahrscheinlich.

Im Gegensatz zu Mike, bin ich kein Mengentyp. Mein Motto lautet:

  1. Pro Shopping fünf bis sechs Blumenstöcke einkaufen.
  2. Die für die neu erstandenen Blumen benötigte Erde mitnehmen.
  3. Kurz einpflanzen.
  4. Wasser geben.
  5. Die Neuzuzüger geniessen.

Doch das ist kein Projekt.

Mike, aber, fand ein zusätzliches Projekt. So brachte er vom Bau und Hobby nicht nur die restlichen Blumen mit, sondern auch die “notwendigen” Dünger für “den gesunden Garten”: einen für die Farberhaltung der Blumen, einen für die optimale Bodenzusammensetzung, einen für die Förderung des Wachstums und einen für die generelle Langzeitwirkung. Wie man diese Dünger streut, spritzt oder mischt, ist eine Wissenschaft, die mich schon beim Durchlesen der Anleitung überforderte. Blumen schienen plötzlich komplizierter als Schwangerschaften.
“Schatz”, gab ich zu bedenken, “vielleicht möchtest du die Blumen einfach einmal einpflanzen.“

Für das Einpflanzungsprojekt holte mein Mann -nebst mich- unsere vier Kinder, welche hell entzückt das Blumenmeer bewunderten. Doch nach hundert eingepflanzten Blumen hatte die Begeisterung merklich abgeflacht, zum Teil weil den Kindern die Kraft ausgegangen war, um noch ein genug grosses Loch im vertrockneten, lehmigen Blumenbeet zu graben, zum Teil weil sie Unheil ahnten angesichts der Blumenwarteschlange.

“Sollen wir sie übereinander pflanzen?”, fragte Lea müde, als die Beete voll waren. Dann kreischte sie auf, weil sich eine Spinne auf ihrer Hand befand.
Ich ging zu ihr hin und schüttelte ungläubig den Kopf.
“Lea, du hast Handschuhe an!”
“Sie könnte beissen.”
“Wer?!”
“Die Spinne.”
“Durch die Handschuhe hindurch?”
“Wieso nicht?”
“Weil diese so klein ist, dass ich eine Lupe nehmen muss, um sie als Spinne zu identifizieren.”
“Trotzdem…”

Tobias hatte unterdessen dem Nachbarmädchen, das an unserem Gartentor vorbei schlenderte, grosszügig ein Blumentöpfchen geschenkt. Freudig verkündete er meinem verdutzten Gesicht:
“Eines mehr gemacht.”
“Also … das ist nicht der Sinn der Sache”, sagte ich, obwohl ich erschreckende Ähnlichkeiten von mir entdeckte.

Mike nahm es gelassen und fand Plätze für alle Blumen.

Am Abend sassen er und ich müde, aber zufrieden auf der Veranda.
“Es sieht schön aus”, musste ich zugeben und fühlte mich heroisch, als ob ich ein Heer Blumen persönlich besiegt hätte.
“Morgen machen wir etwas anderes”, meinte Mike und kniff mich freundschaftlich.
“Was denn?”, fragte ich neugierig und sah mich schon im Wellness Bad.
“Wir düngen.”

Einfach schwer…

i am sorry

Wie einfach….
Streit nie zu beenden,
alte Verletzungen verwenden,
das Gegenüber zu richten,
mit Worten vernichten,
mit Wut übertönen,
vor Unmut stöhnen,
Moral zitieren,
Fehler addieren,
den anderen
ignorieren,
manipulieren,
Gefühle
zensieren,
ins Gesicht
explodieren,
aus der Gunst
katapultieren.

Wie schwer….
diese Wörter im Streit:
“Es tut mir leid”

Erinnerung

tod

Heute vor zwei Jahren ist die grosse Liebe meines Vaters gestorben. Sie war eine Freundin für mich und ein wunderbares Grossmami für ihre Grosskinder. Das Gedicht erzählt den Verlauf ihrer Krankheit: von meinem ersten Besuch im Spital, als sie die Diagnose “Krebs” bekommen hatte, bis zu ihrem Tod ein gutes Jahr später.

 

Angst schreit aus deinem Gesicht
Ich umarme dich
Panik, Wut
Explosion im Kopf
Der Körper hält dich zusammen….noch

Irgendwann legt sich der Krieg
Du schwenkst die weisse Fahne
Besiegt, auf Milde hoffst
Aber Frieden wird dir verweigert….noch

Dein Körper ein Schlachtfeld
Blut und Verwesung
Bis deine blauen Augen in Schmerzen flehen
“Lasst mich gehen. Ich will nicht mehr.”
“Geh nur, ich versteh dich”, wispern meine Lippen und doch
Unruhige Stunden, leises Stöhnen….noch

Dann “auf Wiedersehen” du sagst
und schliesst für immer die Augen
Gemeinsam warten wir
Ruhig dein letzter Atemzug

“Du bist frei”, flüstere ich, “s’ist….gut.”

by Priska Pittet

Wir vermissen Dich immer noch sehr…

Fastenwähe: von Kindern erklärt

fastenwähe1

Nachdem Frau Kahl ihre Schulklasse begrüsst hat, möchte sie ihr neues Thema Frühling einleiten.
“Was fällt euch zum Frühling ein?”, fragt sie deshalb die Klasse und nimmt eine Kreide in die Hand, um Stichwörter an die Tafel zu schreiben.
“Blumen.”
“Osterhase.”
“Ostern.”
“Fastenzeit.”

“What is Fastenzeit?”, fragt John, der Austauschschüler aus Chicago, “time to fasten?”
Ein paar Mitschüler/innen grinsen.
“Du hast recht”, antwortet Frau Kahl freundlich, “fasten bedeutete im Althochdeutschen das Gleiche wie das heutige englische Verb to fasten: festmachen oder festhalten. Mit Fastenzeit meinte man also die Zeit vor Ostern, in der man an den Enthaltsamkeitsregeln festhielt. Dazu gehörte der Verzicht auf Genuss bringende Nahrungsmittel.

Darum wurde die Fastenwähe erfunden!”, meldet sich Klaus unaufgefordert zu Wort, “um die Menschen vor dem Essen abzuschrecken! Ein Abschreckungsmittel, sozusagen.”
“Ich glaube nicht, dass…”, erwidert Frau Kahl, wird aber von Karla unterbrochen:
“Fastenwähen sind lecker!”
Die meisten Kinder stimmen Karla zu.

“Dann wurde die Fastenwähe zum Abnehmen erfunden”, meint Paul und schaut Frau Kahl erwartungsvoll an.
“Nun… nicht wirklich”, zögert Frau Kahl, “die Fastenwähe besteht aus Weissmehl, Butter, Milch, Hefe…”
“Zopf wird so gemacht”, weiss Monika.

“Warum nennt man die Fastenwähe dann nicht Zopfwähe?” will Karla wissen.
“Weil es ekelhafte Kümmel darauf hat.” Klaus wieder.
“Dann könnte man es Zopfwähe mit Kümmel nennen”, antwortet Karla spitz.
“Zopf ist keine Wähe.”
“Die Fastenwähe ist auch keine Wähe.”
“Auch kein Zopf.”

“Zopf muss man meiden wenn man abnehmen will”, mischt sich Jonas ein ,”das hat mir meine Mutter gesagt.”
“Deshalb”, überlegt Karla laut, “hat man grosse Löcher in die Fastenwähe gemacht. Die Leute meinen, sie essen viel, dabei schlucken sie viele Löcher.

“Sorry. What is Wähe?”, wagt John aus Chicago endlich zu fragen.
“Ein sehr dünner Kuchenteig mit vielen Früchten”, erklärt ihm Paul.
“Ah, good to fast”, sagt Joe und strahlt dabei. “Are there Früchte in Fastenwähe?”
“Kümmel”, sagt Klaus.
“Ist keine Frucht”, entgegnet Karla.
“Aber Teil einer Frucht.”
“Frau Kahl, würde Kümmel als Fruchtwähe durchgehen?”

Während Frau Kahl seufzend die Kreide hinlegt, ruft Paul:
“Ich weiss es. Mit Fastenwähe meint man fast eine Wähe, weil der Fladen flach ist und die Früchte durch Löcher ersetzt wurden.”

Frau Kahl schaut auf die Uhr. Noch 30 Minuten bis zur Pause. Sie würde auf dem Internet nachschauen…

(Wer mehr wissen möchte: Fastenwähe, Rezept für Fastenwähe)

fastenwähe